Unsere erlernten Denk-, Gefühls- und Verhaltensmuster sind durch andauernde Wiederholung wie mit uns verwachsen, Viele Menschen identifizieren sich mit ihren Stress-
mustern und glauben nicht mehr "sie" zu sein, wenn sie anders denken, fühlen und handeln.
Man hat die Wahl. Einerseits kann man rein mechanisch den alten Denk-, Gefühls- und Verhaltensmustern folgen. Dann passiert das, was immer passiert. Andererseits kann man die
Automatik abschalten und so lange auf Handsteuerung umschalten, bis durch zahlreiche Wiederholungen neue Gewohnheiten entstanden sind. Das braucht Zeit, und man muss
am Anfang sehr aufmerksam sein: denn es ist unmöglich, mit abgeschaltetem Verstand etwas Neues zu lernen.
Menschen neigen offensichtlich dazu, sich unglücklich zu machen. Sonst hätte sich niemals eine Kultur entwickeln können. in der Leiden eine solche Rolle spielt. Die westliche Hauptreligion, das Christentum, ist traditionell eine Religion des Leidens, auch wenn sie paradoxerweise behauptet, eine frohe Botschaft zu besitzen.
Das Bildnis der Hinrichtung Jesu ist in allen Kirchen an zentraler Stelle platziert und macht den Gedanken an eine frohe Botschaft schwierig. Jahrhunderte langes Märtyrertum und die dogmatische Lehre des Christentums haben unsere Kultur bis heute geprägt. Freude gilt als oberflächlich und wird von Kritikern abgewertet. Leiden geniesst weitaus höheres Ansehen.
Angesichts dieser vielen dramatischen Zeugnisse des Leidens, die auch das Inventar unserer Innenwelt bilden, bleibt für Ruhe und Gelassenheit wenig Raum. Wir haben zwar die
Freiheit, zwischen Anspannung oder Entspannung, dramatischer Übertreibung oder Gelassenheit zu wählen. Eine deutliche Mehrheit bevorzugt aber, zumindest in der westlichen
Welt, Stress und Dramatik. Die Neigung, sich selbst unglücklich zu machen, wird durch die leidvollen Rollenvorbllder, die den Alltag dominieren, noch verstärkt. Es ist ein klassischer Teufelskreis.
Nun kann man allerdings. wenn man sich trotzdem einen entspannten Lebensstil wünscht, gegen den Strom schwimmen. Man kann sich ein Hobby daraus machen, gelassen zu bleiben, egal was kommt.
Gelassenheit zu entwickeln, das ist ein ehrgeiziges, aber kein unmögliches Vorhaben. Das Leben kann mit diesem Ziel vor Augen eine neue Bedeutung bekommen. Der Alltag wird nun zur Übung. Die Ereignisse treten als Lehrer in Erscheinung, die permanent versuchen, einen aus der Bahn zu werfen. Die Aufgabe besteht darin, im Gleichgewicht zu bleiben. Wir wissen nie, welchen Situationen wir gewachsen sind und welchen nicht. Manchen Ergebnissen wird es gelingen, unseren Gleichmut in Nichts aufzulösen. Erst später erkennen wir dann, dass wir darin einen Meister gefunden haben, der uns unsere Grenzen aufgezeigt und uns stillschweigend aufgefordert hat, zu wachsen und auch diese Situation gelassen zu überstehen.
Es ist ein wunderbares Konzept, Schüler des Lebens und eines entspannten Lebensstils zu sein, weil alle schwierigen Situationen damit einen Sinn bekommen. Es geht darum, sie mit innerer Ruhe zu bewältigen.
Überlegen Sie es sich einmal genau: Worauf kommt es im Leben an? Geht es darum, viel Geld zu verdienen und so viele Dinge wie möglich zu sammeln? Ist die Ausbildung auf' einer
Eliteschule wichtig? Zählen das Alter, die Herkunft, das Geschlecht oder die Hautfarbe? Was nützt das eine oder das andere, wenn man mit seinen Gefühlen nicht umgehen kann? Weder die Natur noch das Zusammensein mit anderen Menschen genießen kann? Weder Trauer, Ärger, Angst noch Glück und Ruhe ertragen kann? Wenn man seine Phantasien und verrückten Ideen nicht aushält? Unfähig ist, die eigene Unvollkommenheit und die der anderen Menschen gelassen hinzunehmen?
Die Erde ist gewissermaßen ein Ausbildungsplanet. Manche begreifen dies früh, manche spät und andere gar nicht. Wenn man es nicht begreift, wirken die meisten Ereignisse sinnlos, völlig willkürlich, immer wieder ärgerlich, enttäuschend und beängstigend, manchmal aber auch - leider nur für kurze Zeit - verführerisch und betörend. Die menschliche Grundsituation nicht zu verstehen, das öffnet dem Leiden Tor und Tür.
Buch dazu: Gelassenheit beginnt im Kopf